7. Abschnitt: Pferde
Erstmals werden in der Verordnung Vorschriften über die Pferdehaltung festgelegt. Haltungsbedingte Erkrankungen des Pferdes, z.B. der Atemwege oder des Verdauungstraktes, sind häufig, weshalb Haltungsanpassungen zwingend vorzunehmen sind. Für bestehende Ställe wurden die Toleranzwerte, bei deren Einhaltung eine Anpassung an die neuen Vorschriften nicht erforderlich ist, im Einvernehmen mit betroffenen Kreisen aus Zucht, Sport, Reitgewerbe, Vollzug und Tierschutz festgelegt, ebenso wie die Übergangsfristen.
Art. 59 Haltung
In
Absatz 1
wird die Anbindehaltung von Pferden untersagt. Sie schränkt das Pferd zu sehr in seinem Verhalten ein und begrenzt sein Gesichtsfeld stark. Seit Jahren sind Proteste eingegangen, und 2002 ist eine Petition gegen die An-bindehaltung erfolgt. 2003 wurde ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das die Rechtswidrigkeit der Anbindehaltung von Pferden bereits mit den bestehenden Vorschriften bekräftigt. In verschiedenen deutschen Bundesländern ist die An-bindehaltung von Pferden in den letzten Jahren untersagt worden. Tatsächlich wird dieses Aufstallungssystem immer weniger verwendet. Waren 1997 nach einer Umfrage noch 49,9 % der Freibergerpferde angebunden gehalten, so waren es 2002 nur noch 17 %. Für alle Pferde insgesamt ergaben verschiedene Umfragen 1997 noch 18,3%, bzw. 2004 noch 8,7% und 2005 nur noch 4,8% der Pferde, die angebunden gehalten wurden. Nicht zu verwechseln ist das Anbindehaltungsverbot mit dem Anbinden von Pferden zur Pflege und ähnlichen Massnahmen. Um besonderen Situationen wie beispielsweise im Militär (Biwak) oder in Handelsställen Rechnung zu tragen, wird für neu in einen Betrieb eingestallte Pferde eine auf maximal drei Wochen befristete Ausnahme vom Verbot der Anbindehaltung gewährt. Für den Ersatz der Anbindehaltung ist eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen.
In
Absatz 2
wird Einstreu für den Liegebereich gefordert. Damit sich Pferde ausreichend lange hinlegen, muss ihnen ein trockener, sauberer und verformbarer Liegebereich angeboten werden. Pferde harnen viel und suchen sich dazu einen Ort auf, wo der Urin nicht vom Boden aufspritzt. Die Hygiene der Einstreu beeinflusst die Qualität der Stallluft und des Hufhorns wesentlich. Saubere Stroheinstreu dient auch der Raufutterversorgung.
Absatz 3
verlangt Sozialkontakt zu Artgenossen, zu denen Pferde, Esel, Ponys, Maultiere und Maulesel zählen. Art-fremde Sozialpartner wie Rinder, Ziegen oder andere Tierarten geben selbst bei ähnlichem Haltungsbedarf keinen geeigneten Sozialpartner ab. Ausserdem besteht für sie eine nicht zu unterschätzende Verletzungsgefahr durch das Pferd. Der geforderte Sozialkontakt soll spätestens bis zum Ablauf der vorgesehenen Übergangsfrist von fünf Jahren gewährt werden. Um Härtefälle zu vermeiden, kann die kantonale Behörde in begründeten Fällen eine befristete Ausnahmebewilligung für ein einzeln gehaltenes, altes Pferd erteilen.
Die in
Absatz 4
geforderte Gruppenaufzucht von Jungpferden ist eine Voraussetzung dafür, dass die Pferde zu belast-baren Arbeits- und Sporttieren heranwachsen können und die sozialen Regeln für das reibungslose Zusammenleben lernen können. So lassen sie sich später in der Gruppe halten.
Absatz 5
legt die Strukturierung der Stallungen für in der Gruppe gehaltene Pferde fest. In der Gruppe müssen rangniedrigere Tiere dem Ranghöheren ausweichen können. Einraumgruppenhaltungssysteme sind daher mit einem Raumteiler zu versehen. Bei Jungpferden kann darauf verzichtet werden, damit sie sich bei den Rangeleien durchsetzen lernen.
Art. 60 Futter und Pflege
Absatz 1
legt die mit der Fütterung verbundenen Grundsätze fest. Die Futtersuche und -aufnahme stellt die Haupt-beschäftigung des Pferdes dar. Seine Verdauung ist an die ständige Zufuhr von rohfaserreichem Futter angepasst. Die regelmässige und ausreichende Raufutteraufnahme unterstützt eine einwandfreie Verdauungsfunktion, ist für die Zahngesundheit von Bedeutung und dient der Stillung des Beschäftigungsbedürfnisses. Einstreu aus sauberem Stroh zählt als Raufuttergabe. Bei leichtfuttrigen oder wenig genutzten Pferden ist Überfütterung zu vermeiden, weshalb im Artikel auf die Forderung nach dauerndem Raufutterangebot verzichtet wird.
Die richtige Hufpflege ist für die Gesundheit der Pferde unerlässlich.
Absatz 2
schreibt vor, dass mit der Hufpflege die gesunde Form und Funktion der Hufe sichergestellt werden muss.
Art. 61 Bewegung
Nach
Absatz 1
muss den Pferden täglich ausreichend Bewegung gewährt werden. Viel Bewegung in mässigem Tempo an der frischen Luft ist für die Gesunderhaltung und das Wohlergehen eines Pferdes unabdingbar. Der Bewegungs-bedarf kann zum Teil durch die Nutzung gestillt werden. Diese dient dem korrekten Muskel- und Konditionsaufbau, was für die Verletzungsprophylaxe wichtig ist. Weil die Nutzung das Pferd in seiner Bewegungsfreiheit stark ein-schränkt, kann sie den Auslauf nicht ersetzen. Als Auslauf zählt nur die freie Bewegung ohne Einschränkung des Tieres.
Zur
Auslauffläche nach Absatz 2
zählen sowohl Weiden wie Allwetter-, Sand- und Schnitzelplätze oder Reitplätze sowie andere umzäunte Flächen, die über die geforderte Mindestfläche nach Anhang 1 Tabelle 7 verfügen. Reithallen und andere überdeckte Flächen zählen demnach nicht als Auslauffläche. Der Auslauf wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Gliedmassen, der Atemwege und die Verdauung aus und fördert die Kondition und Ausgeglichenheit der Pferde. Der Auslauf eines Pferdes darf nicht durch bewegungseinschränkende oder -steuernde Hilfsmittel beeinträchtigt werden, wie dies verschiedentlich immer wieder beobachtet wird.
Die in Anhang 1 Tabelle 7 aufgeführten Mindestanforderungen werden ergänzt mit empfohlenen Massen für Auslaufflächen, die gewährt werden sollen, wenn es die Umstände ermöglichen. Gemäss Bundesgesetzgesetz vom 22. Juni 1979
5 über die Raumplanung (RPG) können Aussenanlagen, worunter auch Auslaufflächen fallen, zugelassen werden, soweit sie für eine tiergerechte Haltung notwendig sind. Diese sollen ganzjährig den täglichen Auslauf ermöglichen und müssen deshalb mit trittsicheren Böden wettertauglich eingerichtet werden können. Bei Auslaufflächen ausserhalb der Bauzonen ist darauf zu achten, dass die Befestigung reversibel mit natürlichen Materialien (Kies, Sand oder Schnitzel) erfolgt. Bei nicht permanent von der Stallung aus zugänglichen Anlagen beträgt die maximale, empfohlene Gesamtfläche 800 m2
(vgl. Anhang 1 Tabelle 7). Die Nutzung der Auslauffläche zu gewerblichen Zwecken oder für sportliche Anlässe ist nur in entsprechenden Bauzonen bzw. in hierfür ausgeschiedenen Spezialzonen (Art. 18 RPG) zulässig.
Der Aufenthalt in permanent zugänglichen Auslaufflächen, die kleiner als die in Anhang 1 Tabelle 7 geforderte Fläche sind, zählt nicht als Auslauf. Die Flächen können dennoch ohne Vergrösserung genutzt werden, sofern den Pferden der Auslauf zusätzlich in einem anderen Auslauf gewährt wird, der die Anforderungen an die Mindestfläche erfüllt.
Um insbesondere Pferden, die nach
Absatz 1
täglich Auslauf erhalten müssen und diesen durch Weidegang erhalten, vor unnötigen Gesundheitsrisiken zu bewahren, wird bei extremen Witterungs- und Bodenverhältnissen die Möglichkeit gegeben, in eine Halle auszuweichen.
Für das Einrichten und Anpassen von Auslaufflächen ist eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen.
Nach
Absatz 4
müssen Zuchtstuten, Fohlen, Jungpferde und Pferde, die nicht genutzt werden, täglich Auslauf erhalten. Vorzugsweise wird er auf einer Weide gewährt, da Pferde sich beim Fressen ständig fortbewegen. Der Weidegang ist die naturnahste Beschäftigung des Pferdes. Damit Anpassungen für das Gewähren des Auslaufs für ungenutzte Pferde vorgenommen werden können, ist eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen.
Auch genutzte Pferde müssen sich nach
Absatz 5 frei bewegen können, weshalb ihnen an mindestens zwei Tagen pro Woche Auslauf zu gewähren ist. Um Verletzungsgefahren bei blutgeprägten Sportpferden zu begrenzen, kann der Auslauf ausschliesslich in Kleinausläufen mit Mindestflächen nach Anhang 1 Tabelle 7, zum Beispiel in permanent zugänglicher Form, gewährt werden. Zusätzlich kann bei Pferden, die neu in einem Betrieb eingestallt worden sind sowie in weiteren, klar umschriebenen Situationen während maximal einem Monat auf den Auslauf verzichtet werden. Da einem genutzten Pferd nur zweimal zwei Stunden pro Woche Auslauf gewährt werden muss, können in einem einzigen Kleinauslauf von 36 m2
z. B. vier Pferde vom Warmbluttyp pro Tag oder in einer Woche 12 Pferde der geforderte Auslauf gewährt werden. Damit sollten selbst Betriebe mit limitierten Platzverhältnissen und vielen Pferden den Anforderungen an den Auslauf nachkommen können.